New European Bauhaus: Dominik Philipp über die lückenlose Digitalisierung im Holzbau

Das „Neue Europäische Bauhaus“ stellt die Verbindung zwischen dem europäischen Grünen Deal und unseren Lebensräumen her. Sie ist ein Aufruf an alle EuropäerInnen, gemeinsam Vorstellungen von einer nachhaltigen und inklusiven, ästhetisch, intellektuell und emotional ansprechenden Zukunft zu entwickeln und zu realisieren. Das neue Europäische Bauhaus ist eine im Entstehen begriffene interdisziplinäre kreative Bewegung, an der auch wir uns gerne mit unseren Ideen und Visionen beteiligen.

Im Rahmen der Inititative “New European Baushaus goes digital” habe ich über unsere Visionen und Ziele zum Thema BIM und Holzbau gesprochen: Als Pioniere des sozialen, nachhaltigen und digitalen Bauens haben wir von Dietrich | Untertrifaller den Anspruch, flexible, multifunktionale Gebäude in höchster architektonischer Qualität zu entwerfen. Mit Materialien, die CO2 binden und nicht freisetzen. Gebäude, die anpassungsfähig sind und aus einzelnen Komponenten zusammengesetzt werden. Einzelkomponenten, die demontiert und zu neuen, veränderten Objekten zusammengefügt werden können. Gebäude, die kreislauffähig sind.

Hier der Vortrag zum Anhören: BIM and timber construction- Simple but Sophisticated Digital Design / Dominik Philipp

Foto: © Aldo Amoretti

Wenn wir Gebäude in dieser Qualität und gemäß dieser Idee entwickeln wollen, müssen wir die Art und Weise ändern, wie Gebäude in unseren Städten heute konstruiert werden. Wir müssen uns von Verbundbaustoffen abwenden, bei denen Fassade und Rohbau untrennbar miteinander verbunden sind. Dies verursacht eine enorme Menge an Abfall, sobald sie angepasst und saniert werden müssen. Es ist immer noch gängige Praxis, die Informationen zum Bau eines Gebäudes aus einem 2D-Papierplans abzulesen.

Obwohl Projekte bereits in BIM-Modellen mit hochkomplexen Parametern und Abhängigkeiten geplant werden. Und obwohl sie bereits mit VR-Brillen erlebt werden können und noch nicht gebaute Projekte vor Ort mit Augmented Reality integriert werden können.
Dennoch: Heute bleiben die hochkomplexen Informationen meist im Computer.

Die 3D-Informationen werden auf einen 2D-Plan gedruckt, um dann auf der Baustelle aus diesen 2D-Informationen wieder ein reales 3D-Objekt zu erstellen.
Das bedeutet, dass die digitale Wertschöpfungskette von der Planung bis zum fertigen Objekt nach wie vor unterbrochen ist!

Das Einzige, was sich geändert hat, ist die Art und Weise, wie ein Strich aufs Papier gebracht wird. Während wir früher Tuschestift und Lineal verwendet haben, arbeiten wir heute mit hochkomplexen 3D-BIM-Modellen. Letztlich kommen die Informationen aber über einen 2D-Plan auf die Baustelle. Die Genauigkeit auf der Baustelle ist die von vor 30 Jahren, mit Zentimeter-Toleranzen.

Wir bringen die Präzision auf die Baustelle

Aber wenn wir mit Einzelkomponenten und nach dem Ersatzteilprinzip bauen wollen, wenn wir kreislauffähig werden wollen, dann müssen wir präziser sein! Das realisierte Gebäude muss zu 100 % mit dem geplanten Gebäude im Modell übereinstimmen. In Präzision und Information.

Das bedeutet für uns, dass wir zwei Variable auflösen und entfernen müssen: die Ungenauigkeit des Bauens mit Ziegeln, Beton und Mörtel und die Fehlerquellen bei der Informationsübertragung mit 2D-Papierplänen.

Deshalb verzichten wir bei unseren Projekten auf Verbundbaustoffe wie Ziegel oder Beton, wir verzichten auf den Papierplan, wir nutzen den hohen Vorfertigungsgrad des Werkstoffes Holz, steuern die CNC-Fräse direkt aus dem BIM Modell an und bringen damit die gewünschte Präzision auf die Baustelle.

Foto: © Markus Buck
Foto: © Dietrich | Untertrifaller

Lückenloser Prozess aus einer Hand

Unser Ziel ist die vollständige Digitalisierung im Holzbau von der Planung bis zur Montage. Wir bringen die Digitalisierung direkt auf die Baustelle und ermöglichten einen lückenlosen Prozess aus einer Hand. Zum ersten Mal. Unsere Vision der End-to-End-Planung ist Digital Design, einfach, aber anspruchsvoll.

Aber was bedeutet einfach? Wir arbeiten zusammen als EIN Team in nur EINEM Modell. Wir pflegen alle Informationen in nur EIN Modell, EINE Datenbank ein. Wir sprechen hier von einer „single source of truth“.

Von der Architektur und dem Tragwerk über die Haustechnik bis hin zu allen produktionsrelevanten Daten, um die Maschinen und Beschaffungsprozesse ansteuern zu können – alle arbeiten “in Echtzeit” in EINEM Modell. Wir tauschen Informationen und Pläne nicht über eine Dateisicherung aus, sondern entwickeln das Projekt gemeinsam mit allen unseren Planern, Spezialisten und Beratern auf dieser digitalen Baustelle.

Foto: © Dietrich | Untertrifaller

Und wenn wir mit der Planung fertig sind, geben wir die Planung NICHT an eine ausführende Firma weiter, damit diese einen neuen Plan zur Steuerung der Maschine erstellt. WIR steuern – direkt aus unserem BIM-Modell – die Maschine im jeweiligen Unternehmen an. Damit produzieren wir millimetergenau, fehlerfrei, gebaut in der Präzision der Planung. So schließen wir die Lücke von einem modernen, digitalen Planungsmodell zu einer Hightech-Umsetzung auf der Baustelle.

Dadurch können unsere Gebäude demontiert und angepasst werden. So schaffen wir auch die Voraussetzung dafür, dass Gebäude über die richtigen Sensoren mit ihren digitalen Zwillingen kommunizieren und damit die Synchroninformationen während des Betriebs. Wir können jederzeit einzelne Teile auf ihren Verschleiß hin analysieren.

Durch die gebaute Genauigkeit können wir Ersatzteile aus dem BIM-Modell schnell nachproduzieren, auch wenn wir die ausführende Firma wechseln. Die Maschinensteuerung erfolgt ja aus unserem BIM-Modell heraus. Wir können die Maschinen der meisten ausführenden Firmen unabhängig ansteuern, in 5 Jahren, in 10 oder sogar 20 Jahren.

Grafik: © Dietrich | Untertrifaller

Präzise digitalisiert und präzise gebaut

Grafik: © Dietrich | Untertrifaller

Sind alle Gebäude in einer Stadt oder in einer bestimmten Region präzise digitalisiert und präzise gebaut, ergeben sich erweiterte Beschaffungs- und Kooperationsmodelle. Informationen über den Bedarf und die Anforderungen können in einem frühen Stadium ausgetauscht werden, und zwar in jeder Phase.

Von dem Moment an, in dem wir ein Teil im BIM-Modell zur Bearbeitung markieren, kann theoretisch der Markt informiert werden. Der Markt weiß so rechtzeitig über den Anpassungs- und Umsetzungsbedarf Bescheid und Firmen können größere Pakete anbieten, zum Beispiel für ein ganzes Stadtviertel. Mit der Vernetzung der digitalen Gebäudemodelle können wir eine Datenbank mit allen Materialressourcen in einer Stadt erstellen. Übrig gebliebene Komponenten können von einem Gebäude zum anderen gebracht, ausgetauscht, upgecycelt oder renoviert werden. So vermeiden wir Abfall und graue Energie.

Damit entwerfen wir flexible, multifunktionale Gebäude mit höchster architektonischer Qualität und erschließen das Nachhaltigkeitspotenzial dieser zirkulären Prozesse.

 

Dominik Philipp